Fall Nr. 84

 

Spielregeln

Schlüsselsatz: "Klar, das könnt ihr so machen, wenn ihr wollt."
Stufe: Primarstufe
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Mattenball
Inhalte präsentieren: Erklären | Handelndes Lernen / Kognitive Aktivierung
Textsorte: Chronik

Fallbeschreibung:

(a) 3. Klasse Primarschule, 24 Schülerinnen und Schüler. Die Klasse hat bereits einen grossen Teil der Lektion hinter sich. Die Lehrerin versammelt die Schüler und Schülerinnen und kündigt das folgende Spiel an (Mattenball). Die Klasse kennt das Spiel und die Gruppen sind bereits vom vorhergehenden Lektionsteil eingeteilt. Insgesamt gibt es vier Spielfelder mit Teams zu je drei Spielern.
(b) An der Sprossenwand hat die Lehrerin bereits die entsprechende Anzahl Spielbänder aufgehängt und vier Bälle bereitgelegt.
Lehrerin: "Eine Gruppe holt den Ball und das andere Team auf eurem Spielfeld holt die Bändeli."
Während auf drei Spielfeldern bereits nach kurzer Zeit mit dem Spiel begonnen wird, bekunden zwei der Teams Mühe mit dem Spielbeginn. Die Lehrerin begibt sich zu den diskutierenden Schülern und fragt nach dem Problem.
(c) Lehrerin: "Warum habt ihr noch nicht begonnen?"
Die Gruppe antwortet unverständlich durcheinander: "Simone versteht das Spiel nicht" ... "Wir sind nur zu zweit" ... "Wir haben keine Bändeli" "Die anderen haben keinen Ball"...
Lehrerin: "Überlegt noch einmal wie es funktioniert. Wenn die eine Gruppe weiss, wie es geht, dann sitzt nochmals zusammen und macht eure Regeln ab. Vielleicht sind es dann die gleichen Regeln, die ich erklärt habe, oder auch nicht. Wichtig ist, dass beide Teams die gleichen Regeln haben, sonst geht das Spiel nicht."
(d) Nach kurzer Zeit haben sich die beiden Teams geeinigt und es wird nun auf allen Spielfeldern gespielt. Ca. fünf Minuten später begibt sich die Lehrerin von einem Spielfeld zum anderen, unterbricht das Spiel kurz und erklärt eine Regeländerung.
Lehrerin: "Ihr dürft nun auf beiden Matten Tore machen."
Schülerin: "Ich verstehe das nicht."
Lehrerin: "Die Grünen dürfen also auf dieser und auf der anderen Matte Tore machen", sie zeigt auf die beiden Matten, "und wenn der Ball auf den Boden fällt, bekommen ihn die anderen."
Schüler: "Wenn einer foult, dann gibt es doch einen Strafpunkt?"
Lehrerin: "Klar, das könnt ihr so machen, wenn ihr wollt."
(e) Die Lehrerin hat zum nächsten Spielfeld gewechselt und die Regeländerung bereits erklärt.
Schüler: "Wieviele Schritte darf man mit dem Ball machen?"
Lehrerin: "Drei".
Dieselbe Schülerin zu einer anderen: "Siehst du, ich habe doch recht gehabt!"


Fallinterpretation:
Die Lehrerin überlässt den unschlüssigen Teams die Regelfindung selbst (c,d). Wenn man bedenkt, dass es sich um eine dritte Primarklasse handelt, so finden die Schüler und Schülerinnen doch jeweils sehr schnell eine Lösung (d). Auf Fragen reagiert sie allerdings unterschiedlich. Währdend sie die Foulfrage offen lässt (d), entscheidet sie bei der Frage nach den Anzahl Schritten selbst. Fraglich bleiben nur die Kriterien, wann eine Regel von ihr bestimmt werden und wann von den Betroffenen selbst.
Dass die Lehrerin selbst bestimmt, wieviele Schritte mit dem Ball gemacht werden dürfen, lässt darauf schliessen, dass sie sich grob an das Grundspiel (vergl. JEKER/BUHOLZER, 1991) halten will. Dieses Spiel ist Basis einer Aufbaureihe von Spielen, die zum Handballspiel führen. Es macht einen Sinn, wenn elementare Regeln, wie die Schrittregel, bereits sehr früh einheitlich glernt werden. Ansonsten läuft die Lehrerin Gefahr, dass falsches Verhalten automatisiert wird, das nachträglich schwierig umzulernen ist. In diesem Fall wäre vielleicht angebracht, dass sie den Grund für die Einschränkung den Betroffenen erklärt. Insbesondere, weil sich die Schüler und Schülerinnen untereinander nicht einig sind (e). Mit dem Hinweis auf den Sprungwurf lässt sich z. B. der Unterschied zum Basketball verständlich machen.
Unklar bleibt, warum sie die Frage nach der Bestrafung eines Fouls offen lässt. Im Sinne einer Spielerziehung kann damit den Spielenden die Offenheit von Spielregeln beigebracht werden. Es wird ihnen damit klar, dass es eigentlich Sache der Teams ist, untereinander Bestrafungsregeln zu bestimmen. Fraglich bleibt aber, wie ein Foul definiert wird. Ich glaube, hier sind die Schüler und Schülerinnen dieser Altersstufe noch überfordert. Das Verhalten der Schüler und Schülerinnen lässt aber darauf schliessen, dass dieses Problem in einer früheren Stunde bereits behandelt worden ist.
Insgesamt betrachtet, zeigt diese Lektion ein gelungenes Beispiel für die Mitbestimmungsmöglichkeit der Spielenden bei Regelfragen. Das junge Alter der Schüler und Schülerinnen spricht für sich selbst!