Fall Nr. 35

 

Sommersportlager mit Alkohol

Stufe: Tertiärstufe
Bewegungsfeld: nicht definiert
Disziplin/Sportart: Sportlager
Textsorte: Chronik

Fallbeschreibung:

Ich unterrichte am Pädagogischen Ausbildungszentrum in L. Sport.
Alle Studierenden müssen während ihrer fünfjährigen Ausbildung zwei Sportlager absolvieren, ein Winter- und ein Sommersportlager. Die Fallgeschichte spielt im Sommersportlager, in dem unter anderem eine Zielsetzung darin besteht, den Polysport-leiter II (J+S) zu erlangen. Dies motiviert unsere Seminaristen und Seminaristinnen zu einem bewundernswertem Einsatz. Sie absolvieren das Lager in ihrem zweitletzten Ausbildungsjahr. Überhaupt gelten die Sportlager als Highlights in der gesamten Ausbildung. Die Stimmung ist sodann immer gut, die Studierenden sind einsatzbereit und mit ihnen zu arbeiten ist stets eine gefreute Sache. Disziplinprobleme kennen wir kaum.
Zu Elijakim, der Hauptperson der Fallgeschichte: Er war seit dem ersten Ausbildungsjahr ein bekannter "Fall" am Seminar. Seine unkontrollierten Ausbrüche, sei es im Basketball Freifach oder beispielsweise in der Mathematik waren bald ein wiederkehrendes Thema in den Klassenkonferenzen. Dazu kamen eher mässige Leistungen und ein lausiges Arbeitsverhalten. Der Klassenlehrer suchte ständig das Gespräch mit Elijakim, es wurde in Betracht gezogen, ihn im LAS (Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten) eine ungenügende Note zu setzen, was eine Versetzung in die nächste Klasse verhindern würde.
Und immer, wenn Elijakim das Wasser am Hals stand, benahm er sich für eine Weile tadellos, was einen Eintrag im LAS als völlig unberechtigt hätte erscheinen lassen. Mit der Zeit kursierten auch Gerüchte, Elijakim sei in Diebstähle verwickelt, er wirke in jugoslawischen Jugendbanden mit (Anmerkung: Eli ist schweizerischer Abstammung).
Situative Bedingungen: Das Sommersportlager führten wir in dieser Geschichte im Sportzentrum Näfels durch, das Lagerunterkünfte, Sportanlagen und ein Restaurant umfasst.
Unsere 60 Jugendlichen, zu dreiviertel Frauen, waren in Massenlagern untergebracht. Es gab ein Herrenzimmer und drei Frauenzimmer. Diese waren durch einen Gang und weitere Räumlichkeiten voneinander getrennt. Ab 23.00 Uhr musste in den Unterkünften Ruhe herrschen, um 24.00 Uhr mussten alle in der Unterkunft sein, dann wurde von uns auch die Eingangstüre in den Unterkunftstrakt abgeschlossen. Diese Regelung wurden den Seminaristen und Seminaristinnen bei der Lagereröffnung bekannt gegeben und begründet.


Das ganze Lager war seit 10 Minuten zum Mittagessen versammelt. Es fehlten 2 Seminaristen, Elijakim und Marcel. Dies fiel auf, da sie gewöhnlich am Nebentisch sassen und dort Plätze nicht besetzt waren.
Eine der Lehrpersonen fragt, wo die zwei stecken.
Eine Schülerin mit vielsagendem Blick: "Sie löschen im Restaurant vorne ihren Durst".
Darauf hin geht ein Lehrperson nach vorne und trifft die beiden an einem Restauranttisch sitzend. Elijakim hat gerade fast einen halben Liter Bier getrunken. Die Lehrperson fordert die beiden auf sofort zum Essen zu kommen.
Am Lehrertisch wird danach verhandelt, wie mit der Situation umzugehen ist. Erstens hielten sich die beiden nicht an die Essenszeit, zweitens waren wir ziemlich entsetzt, dass Eli während der Ausbildungszeit Alkohol trinkt, denn am Nachmittag hatten die Schüler nicht etwa frei.
Die zwei wurden nach dem Essen zu uns gerufen. Wir stellten klar, dass wir von ihnen erwarten, dass sie künftig pünktlich zum Essen erscheinen. Marcel entliessen wir nach diesem Statement und Eli musste bleiben und erklären, warum er während der Ausbildungszeit Bier trinkt.
Eli: "Die Mittagszeit ist meine Freizeit, ich sehe nicht ein, warum ich da kein Bier trinken soll."
L: "Wenn Sie am Abend nach dem Sportprogramm ein Bier trinken, ist das o.k., aber nicht wenn Sie noch einen Nachmittag Sport vor sich haben."
Eli etwas angriffiger: "Zudem finde ich es unfair, dass Sie nur wieder mich drannehmen."
L: "Marcel hat keinen Alkohol getrunken und vorhin eine Rüge wegen seiner Unpünktlichkeit eingefangen."
Eli: "Dann haben Sie auch nie verboten, dass in der Pause kein Bier getrunken werden darf."
L: " Weil wir nicht auf die Idee kommen, dass das ein Problem sein würde."
Es wurde nochmals klargestellt, dass Alkoholgenuss unter Tag verboten war, wir in einer Ausbildungswoche sind und letztlich auch Verantwortung für die Studierenden tragen.
Am Abend des selbigen Tages.
Wir hatten im Theoriezimmer noch den morgigen Tag vorbereitet und waren auf dem Weg ins Restaurant. Es war etwa 23.20 Uhr. Da beobachte ich, wie Elijakim mit einer Kiste Bier Richtung Untergeschoss steuerte. Ich fragte meine Kollegen, was da wohl los sei. In den Zimmern müsste doch ab 23.00 Uhr Ruhe herrschen.
Als wir hinunterkamen, trafen wir auf etliche ziemlich betrunkene Seminaristen. Der Herrenschlag war voller Zigarettenrauch. Die Herren hatten Damenbesuch und schienen kräftig zu trinken.
Mein Kollege Stephan mit aufgebrachter Stimme: "Sie wissen haargenau, dass auf den Zimmern nicht geraucht werden darf und dass ab 23.00 Uhr Nachtruhe ist. In genau fünf Minuten ist hier Ruhe und die Frauen verschwinden sofort in ihre Zimmer." Es dauerte, einige Mädchen machten sich davon, nach 5 Minuten ertönte immer noch laute Musik.
Stephan tratt nochmals in den Schlag, rief kräftig aus dass nun Schluss sei. Darauf hin Elijakim, sichtbar betrunken: "Bes doch ruhig du Typ". Stephan laut und wütend: "Sie verstehen wohl nur eine andere Sprache". Eli: "Wotsch mer eis haue". Stephan packte ihn am Arm. In diesem Moment griff mein anderer Kollege ein und verhinderte eine Schlägerei. In aller Lautstärke fand dann noch ein Wortgefecht zwischen den dreien statt, worin Eli angedroht wurde, dass dieses Ereignis für ihn morgen Konsequenzen haben würde. Eli wurde verbal ausfällig und drohte Stephan, er würde dann später zu Hause schon noch drankommen. Und es sei wieder einmal typisch. Die andern seien doch auch hier und die Lehrer gingen nur auf ihn los. Er duzte die Lehrpersonen konsequent.
Am nächsten Morgen schickten wir Elijakim nach dem Frühstück nach Hause mit der Anweisung, er müsse sich am Nachmittag beim Rektor melden.
Nachspiel: Der Rausschmiss aus dem Lager zog eine Klassenkonferenz nach sich. Man beschloss Elijakim im LAS ins Provisorium zu versetzen. Von diesem Zeitpunkt an hatte Elijakim in keiner Art und Weise mehr negative Schlagzeilen von sich gemacht. Er grüsste auch die Sportlehrerschaft stets unheimlich freundlich, war nett, neuerdings immer pünktlich, rastete nie mehr aus, hatte keine unentschuldigte Absenzen mehr. Er wurde nach einem Semester wieder aus dem LAS Provisorium entlassen.