Fall Nr. 65

 

Dialekt und Sprache 2

Schlüsselsatz: Erst jetzt verstehe ich langsam was da abgeht, die machen sich lustig über meinen Dialekt...
Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Laufen, Springen, Werfen
Disziplin/Sportart: Hürdenlaufen, Ultimate
Inhalte präsentieren: Erklären | Spielen und Wettkämpfen
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Im Frühling machte ich im Raum Bern mein Blockpraktikum Oberstufe. Es war an einem schönen Donnerstag Nachmittag, als ich guten Mutes mit der Präparation unter dem Arm die Turnhalle betrat. Geplant war eine Einführung ins Hürdenspringen und ins Ultimate.
Da es sich um eine Doppelstunde handelte, hatte ich eine ganze Lektion lang Zeit, um mit den Mädchen der 7. Klasse das Hürdenlaufen zu üben. Leichtathletik ist zwar nicht mein Fachgebiet. Ich versuchte mit 3 Posten, welche in der Halle verteilt waren, die Übungen abwechslungsreich zu gestalten. Die Einführung ins Ultimate plante ich draussen. Das Wetter war schön und es war warm. Als Abschluss plante ich noch ein Frisbee-Schnapp und ein Linien-Frisbee.
Ich begrüsse also die Klasse und gebe das Programm bekannt. Die Schülerinnen sitzen auf der ersten Stufe der Tribüne und hören mir zu. Sie würden gerne nach draussen gehen, bei dem schönen Wetter, sagen sie. Ich erkläre, dass wir später nach draussen gehen würden, aber zuerst hier in der Halle etwas anderes machen.
„I der Halle die mr hüt Hürdespringe iifüehre. Mir mache drei Pöschtä, wo s’Rhytmusgfühl, wo bim Hürdespringe sehr wichtig isch, uf unterschiedlichy Art die schuele.“ Die Klasse schmunzelt. Ich verstehe nicht weshalb und mache weiter. Ich organisiere drei Gruppen, welche jeweils einen Posten aufstellen muss. Als alle fertig sind, erkläre ich die Aufgaben bei den Posten und lege noch ein Blatt hin. Die Übungen beginnen und ich gehe durch die Halle. Bei einzelnen Schülerinnen frage ich nach, gebe Informationen und beobachte ihre Technik.
Ich gebe mir grosse Mühe, trotzdem kommt die Stunde nicht so richtig ins Laufen. Ich werde unsicher, lasse die Schülerinnen an die nächsten Posten wechseln und reagiere etwas fordernder. Uh, die Leichtathletik ist wirklich nicht meine Stärke.
Ich lasse sie die Übungen weiter durchführen, meine Beteiligung nimmt aber ab. Ich weiss nicht, was für Inputs ich geben könnte.
In der zweiten Lektion gehen wir nach draussen. Die Schülerinnen sollen Ultimate lernen. Dazu mache ich eine Einführung in der Technik des präzisen Werfens und Fangen. „Also, wenn dir e präzise Wurf weit mache, denn miessed ihr der Frisbee mit em Duume uf der Obersyte hebe, die andere Finger si a der Untersyte. Wenn der wärfed, denn isch d’Schultere vorne, de Wurfarm holt nach hinde us, d’Arm öffne sich, der Körper blybt glych und d’Wurfhand zeigt nach em Wurf zum Zyl.“ Wieder schmunzeln viele. Ich lasse sie zu zweit üben und bleibe zunächst etwas im Hintergrund. Nach einem Moment gehe ich bei den Mädchen vorbei und gebe einzelne Inputs. Doch jedes Mal schmunzeln sie. Einzelne sprechen mir sogar nach. Erst jetzt verstehe ich langsam was da abgeht, die machen sich lustig über meinen Dialekt...
In der nächsten Übung sollen sie mit geschlossenen Augen werfen. Die Partnerin rennt an einen Ort und ruft der Schülerin mit Frisbee zu. Diese muss nun versuchen, mit geschlossenen Augen möglichst präzise zu werfen. „Ok, guet, los. Probierets mol!“ Einzelne Paare machen gut mit, andere sind überhaupt nicht motiviert. Stattdessen versuchen sie in einem Basler-Dytsch mit bernischem Akzent mich nachzusprechen. Ich gehe auf zwei Schülerinnen direkt zu und sage ihnen: „Losed emol, i glaub nid, dass mis dialäkt so ne speziells isch. I möchte, dass dir jetzt do die Iebig mached.“
Die eine Schülerin trotzt mit irgend einem Teenagerargument. Es war irgendwie so, dass durch einen Teil der Schülerinnen, welche sich mehr für mein Dialekt interessierten als für den Unterricht, die anderen auch nachlässiger wurden.
Als Abschluss spielen die Schülerinnen noch Frisbee-Schnapp. Doch die auffälligen Schülerinnen sind auch im Spiel nicht motiviert und stehen meistens nur auf dem Rasen. Ich versuche sie mit zusätzlichen „Punkteprämien“ zu motivieren, doch nichts gelingt. Ich wechsle die Mannschaften und lasse die auffälligen gegeneinander spielen. Die anderen sind nun auch untereinander, wodurch sich wenigstens ein Spiel entwickelt.
Am Schluss nehme ich die Klasse noch einmal zusammen und sage ihnen: „I ha mi eigentlich gfroit uf die Stund. S’Wätter isch guet und eigentlich machts jo spass dusse z’si, han i dänkt. I ha eigentlich meh erwartet vo euch. I ha eures Verhalte nid altersadäquat gfunde.“ „Was isch autersadäquat?“ „Nicht eurem Alter entsprechend.“ „I wünsch euch no e schöne Tag.“ Die Schülerinnen sitzen da... „Dir chönned goh...“ Sie gehen.