Fall Nr. 67

 

Volleyball oder Völkerball

Schlüsselsatz: Er soll gute Lektionen bringen, selber sportlich sein und etwas vormachen können und vor allem muss er mich motivieren können.
Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: nicht definiert
Disziplin/Sportart: Sportunterricht

Fallbeschreibung:

Experte 1 (15-jährige Schülerin.)
 
• Was erwartest du von einer gewöhnlichen Sportstunde?
 
Dass wir Spass haben. Dass wir möglichst viel spielen. Kein Geräteturnen.
 
• Warum willst du denn im Unterricht nicht Geräteturnen?
 
Weil das keinen Spass macht und es viel zu schwierig und anstrengend ist.
 
• Hast du das Gefühl, dass im Turnunterricht die Erwartungen und Anforderungen zu hoch gesteckt sind?
 
Ja, man kann ja nicht alles können!
 
• Was machst du am liebsten?
 
Tanzen und Volleyball
 
• Was erwartest du denn vom Sportunterricht über ein ganzes Jahr gesehen?
 
Verschiedene Sportarten ausprobieren und machen.
 
• Wie du vorhin erwähnt hast, ist dein Turnunterricht schon sehr vielfältig, jedoch passt dir das nicht, weil man schliesslich nicht alles können kann?
 
Ja, wir machen schon viel, doch alles wird bewertet. Die Anforderungen sind immer so hoch, dass es dem grössten Teil der Klasse keinen Spass mehr machen kann.
 
• Hast du das Gefühl das Schüler/innen oft auf diese Weise überfordert werden?
 
Ja ich glaube schon!
 
·       Was erwartest du von deinem Sportlehrer? Wie sollte ein ‚guter Sportlehrer’ deiner Meinung nach sein?
 
Er soll gute Lektionen bringen, selber sportlich sein und etwas vormachen können und vor allem muss er mich motivieren können.
 
• Spielt es dir eine Rolle, wie er die Stunde aufbaut? Was er sich wohl überlegt didaktisch?
 
Ja, natürlich. Das ist auch wichtig für einen Sportlehrer.
 
• Muss der Sportlehrer besser sein als seine Schüler?
 
Er soll sportlich sein, aber er kann unmöglich in allen Gebieten der beste sein. Es gibt immer Spezialisten unter uns, die etwas besser können. Aber das ist ganz klar. Wichtig ist auch, dass er menschlich gut ist, das heisst, dass er uns Versteht wenn wir ein Anliegen haben.
 
·       Was würdest du sagen, wenn ihr in einer Stunde den Salto vw. lernen sollt und jeder die Vorübungen machen muss? Es gibt keine Alternative in dieser Stunde.
 
Eigentlich finde ich es gut, dass man halt auch Übungen machen muss, die man nicht gerne turnt. Einen gewissen Druck sollte er schon aufsetzen. Aber zwingen.... das nicht. Das ist nicht förderlich, und wenn jemand wirklich nicht will, dann ist es schlecht für die Motivation, wenn er keine andere Möglichkeit hat.
 
·       Warum glaubst du, haben sich die Schüler in der gewissen Lektion so gegen mich gestellt? Was kann ein Schülerin für Gründe haben, sich so zu verhalten?
 
Es war sicherlich nichts persönliches. Volleyball ist halt ein Spiel, das alle beherrschen und mitmachen können. Darum ist es unser Lieblingsspiel. Die anderen Sachen haben wir ohne Erfolgserlebnis, verschiedene Jahre ausprobiert. Man muss auch sagen, dass es vor allem 3-4 sind, die die Klasse vorantreiben in diesem Streik.
 
• Beschreibe einen typische Klasse von 15/16-jährigen im Turnunterricht!
 
Das ist nicht einfach... ich meine eine solche Klasse, gerade im Fach Turnen, ist nicht einfach. Bei uns ist es das einzige Fach, wo die Note nicht zählt. Die die gerne Sport haben gehen gerne ins Turnen, die anderen gar nicht gerne. Aber das kann man nicht ändern. Die Note gibt es eben nicht als Druckmittel!
 
Vielen Dank!
 
 
Experte 2 (dipl. Turn- und Sportlehrer R.)
 
Experteninterview mit einem dipl. Turn- und Sportlehrer:
 
·       Was zeichnet in deinen Augen einen guten Turn- und Sportlehrer aus?
 
Ein guter Sportlehrer sollte ein gutes Verhältnis finden zwischen dem Motivieren der Schüler und der Präsentation des Inhaltes. Der Inhalt ist im Unterricht natürlich sehr wichtig, aber noch viel wichtiger ist für mich, dass ich den Stoff mit meiner Person so vermittle, dass ich die Schüler motivieren kann. Schlussendlich ist der Inhalt, etwas zu erreichen, das Ziel. Aber mir geht es auch darum, die Schüler dafür zu begeistern.
 
·       Du sprichst deine Person an. Was erwarten die Schüler von deiner Person als Sportlehrer?
 
Sie wollen, dass der Lehrer weiss, was er will. Er soll aber auch die Schüler in den Prozess einbeziehen und sie sollten das Gefühl haben, mit dem Lehrer gemeinsam zum Ziel zu kommen.
 
Was sind in dem Fall die wichtigsten Eigenschaften von einem Turnlehrer?
 
Er soll ein guter Organisator und Motivator sein. Quasi aber auch ein Seelenmensch, denn der Sportunterricht ist oft einfach ein Auffangbecken für andere Fächer und von Problemen. Und deshalb ist der Sportlehrer der Seelendoktor. Im Sport kommt einfach alles raus. Der Lehrer soll aber auch puschen und Leistung verlangen.
 
·       Wie unterscheiden sich die Vorstellungen der Schüler darüber, was guter Unterricht und ein guter Turnlehrer sei?
 
Es gibt so drei Typen von Schülern. Bei jedem sieht es ganz anders aus.
a)    Der erste will Leistung erbringen, hat Spass am Sport, will viel machen und leisten. Dieser Schüler will vielseitigen Unterricht und will vom Turnlehrer gepuscht werden. Er wünscht sich also einen aufgestellten Animator als Lehrperson.
b)    Für viele Schüler ist Sport schlicht und einfach das Fach, das nicht zählt. Sie kommen in den Unterricht, um sich vom Stress zu erholen. Sport ist für sie nicht wichtig. Sie erwarten deshalb auch erholsame Stunden. Unterricht zum Abschalten eben. Der Lehrer sollte deshalb im ‚laisser- faire’ Stil unterrichten, so: «Jetzt könnt ihr mal sagen...».
c)     Für wenige Schüler ist der Sportunterricht ein Muss. Sie erwarten nichts weder vom Unterricht noch vom Turnlehrer. Ausgeprägter ‚laisser- faire’ Stil kommt ihnen wohl am gelegensten.
 
·       Was steckst du dir für langfristige Ziele, vielleicht über ein Semester?
 
Mein Ziel ist es, die Ziele, die ich mir gesteckt hatte, zu erreichen. Und zwar sind dies inhaltliche, methodische und didaktische Ziele.
 
• Gibt es Ziele die du immer im Auge hältst und du konkret nenne kannst?
 
In jeder Alterstufe sind die Ziele und vor allem deren Schwerpunkte verschieden bei 15/16 –jährigen sage ich spontan: Leistung erbringen. Bewegen.
 
·       Worum geht es im Unterricht?
 
Ich will einen grossen Anteil der Schüler für meinen Unterricht motivieren. Wenn ein grosser Teil mitmacht, bin ich zufrieden. Wenn ein grosser Teil nicht mitmacht, bin ich nicht zufrieden. Am wichtigsten ist mir, dass mir und den Schülern der Unterricht Spass macht. Wir wollen Freude am Leben und am Sport haben und auch ab und zu Leistung erbringen.
 
·       Du bist also zufrieden, wenn ein grosser Teil mitmacht. Hast du also den Anspruch, es allen recht zu machen, begraben?
 
Nein, das habe ich zuwenig deutlich gesagt. Natürlich ist das maximale Ziel immer, alle zu begeistern. Aber über längere Zeit bin ich tatsächlich zufrieden, wenn ich sagen kann...«die meisten...».
 
Wie sehen demnach deine Erwartungen an eine einzelne Lektion aus?
 
Am liebsten möchte ich allen etwas mitgeben, was ihnen gefällt. Ich will, dass sich alle betätigt haben und dass etwas läuft in meinem Unterricht. Es wäre optimal, wenn jeder Schüler nach dem Unterricht rausgeht und sagt, dass er sich betätigt hat und dass es ihm etwas gebracht hat.
 
·       Bezeichnest du dich als guten Turnlehrer?
 
Ich kritisiere mich immer selbst an Hand der Rückmeldungen, die ich aus meinen Stellvertretungen erhalte. Bis jetzt waren diese mehrheitlich gut.
 
·       Bin ich ein schlechter Turnlehrer, wenn ich schlechte Erfahrungen gemacht habe?
 
Ich machte mehrheitlich gute Erfahrungen, habe ich gesagt. Ich habe aber auch schlechte gemacht und genau diese Stunden haben mich weitergebracht.
 
·       Warum?
 
Ich überlege mir, nachdem etwas schief läuft, woran es liegen könnte. Ich verbessere mich dann und verändere so meinen Unterricht ständig. Auch werde ich viel ruhiger und flexibler im Umgang mit Schülern.
 
·       Ist es deiner Meinung nach falsch, wenn ich den Fehler nicht bei mir und meinem Unterricht suche, sondern Gründe bei den Schülern suche?
 
Wenn du zum Beispiel siehst, dass schon vor deiner Stunde Probleme da waren, dann darfst du dich und deinen Unterricht nicht hinterfragen. Wie du erzählst, war das ja bei diesen Schülerinnen der Fall. Du darfst nicht zu stark den Fehler bei dir suchen. Du kannst ruhig das ganze global ansehen , dann bist du das nächste Mal viel ruhiger diesen Schülerinnen gegenüber. Du musst mit Reaktionen ausprobieren. Wie schon erwähnt, dann bist du dann wirklich der Seelendoktor. Sie bemerken es wohl kaum, weil du es nur ganz fein machst. Du kannst dann dafür sorgen, dass diese Schüler im Turnunterricht ein angenehmes Klima erleben.