Fall Nr. 80

 

Volleyball

Schlüsselsatz: Nach ca. 3 Minuten lässt die Gruppe, die ohne Lehrerin übt, das Prellen weg.
Stufe: Sekundarstufe II
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Sportunterricht
Inhalte präsentieren: Vorzeigen-Nachmachen; Darbieten und Demonstrieren
Mit Schüler*innen interagieren: Beobachten – Beurteilen – Korrigieren und Feedback geben
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

(a) 11. Klasse, Lehrerseminar, 11 Schülerinnen. Lektionsthema: Volleyball (Vorbereitung auf die Volleynacht). Nach einem intensiven Aufwärmen (Fangspiel) üben jeweils zwei Spielerinnen zusammen das obere Zuspiel. Eine der Schülerinnen jongliert den Ball, während die andere einmal um diese herum springt, um dann den Ball zu übernehmen.
(b) Anschliessend teilt die Lehrerin die Klasse in zwei Gruppen auf und erklärt die folgende Übung: Eine Schülerin prellt den Ball so stark auf den Boden, dass eine zweite darunterlaufen kann, um einen Pass an eine Dritte zu spielen, die mit einen Smash über das Netz abschliesst. Die Lehrerin erinnert an ein Parcours, den sie letzte Woche gemacht haben, wo die selbe Übung auch vorgekommen ist.
(c) Lehrerin: "Die restlichen Schülerinnen sammeln die Bälle ein und legen sie in die Ballwagen. Etwa 5 mal und dann wechseln. Die Idee ist, wenn ihr es mehrmals nacheinander machen müsst, dass ihr eher ein Gefühl für die Flugbahn bekommt. Das ist gleich wie im Spiel, die Abnahmen sind meist schlecht und dann müsst ihr auch ziemlich rennen, damit ihr an den Ball kommt".
(d) Sie zeigt die Übung vor, indem sie selbst einen Ball prellt und eine Schülerin den Pass spielt und eine weitere den Smash über das Netz. Ein zweites mal prellt sie den Ball nicht mehr, sondern macht gleich sich selbst ein Zuspiel, um der zweiten Schülerin den Pass zu geben für den Smash.
(e) Beide Gruppen beginnen mit der Übung. Die Lehrerin bleibt bei der ersten Gruppe und übernimmt die Aufgabe der Prellerin. Kurz nach Beginn ändert sie die Aufgabenstellung: "Stoppt schnell, bitte wechselt nach jedem Pass, sonst geht es zu lange."
(f) Beide Gruppen üben intensiv. Die Gruppe mit der Lehrerin erhält regelmässig Rückmeldungen, während die andere etwas überfordert ist mit der Schwierigkeit der Aufgabe. Die Lehrerin bleibt die ganze Zeit über "Prellerin". Nach ca. 3 Minuten lässt die Gruppe, die ohne Lehrerin übt, das Prellen weg. Damit werden nur noch zwei Spielerinnen beteiligt: eine wirft den Ball sich selbst zu, um einer zweiten einen Pass zu geben zum Smash. Die Lehrerin merkt davon nichts, weil sie gezwungenermassen der Gruppe den Rücken zudrehen muss.


Fallinterpretation:
Die Schülerinnen der zweiten Gruppe (ohne Lehrerin) verändern die Übung so, dass die Zielsetzung der Lehrerin verfehlt wird. Dadurch, dass sie die "Prellerin" weglassen wird die Übung zu einem Smashtraining und nicht zu einem Training zur Einschätzung der Flugbahn (Passeuse), als das es eigentlich vorgesehen war. Der Lehrerin ist kein Vorwurf zu machen, dass sie bei der ersten Gruppe mitmacht und darum den Fehler gar nicht bemerkt. Dass sie dort mitmacht ist zwar nicht notwendig, aber auch nicht falsch.
Die Frage, die sich stellt, lautet eher: Warum verändern die Schülerinnen die Übungsfolge? Obwohl die Übung von der Lehrerin genau vorgezeigt worden ist, und sie sogar noch speziell darauf hingewiesen hat, dass es bei schlechten Abnahmen schwierig ist an den Ball zu kommen (c). Damit meint sie natürlich die Passeuse ohne diese namentlich zu erwähnen. Der Grund für den Wechsel kann also nicht darin liegen, dass die Schülerinnen die Demonstration nicht gesehen haben. Im Gegenteil, während 3 Minuten machen sie sie sogar richtig.
Trotzdem ist der Fehler im Verhalten der Lehrerin zu suchen. Als erstes zeigt sie zwar die vollständige Übung einmal vor, aber bereits bei der zweiten Demonstration verzichtet sie auf das Prellen (d). Damit lässt sie den eigentlich wichtigsten Teil der Übung weg. Als zweites ändert sie die Aufgabenstellung bereits nach sehr kurzer Zeit. Obwohl sie vorher betont hat, dass es wichtig ist, mindestens fünf mal nacheinander zu passen (c), soll nun aus organisatorischen Gründen jedes Mal gewechselt werden.
Durch - für sich alleine genommen - kleine Fehler der Lehrerin verlieren die Schülerinnen der zweiten Gruppe das eigentliche Ziel aus den Augen. Es ist für sie folgerichtig, wenn sie die Übung organisatorisch vereinfachen, nachdem sie mit dem Schwierigkeitsniveau der Übung überfordert waren (f). Diese Mitbestimmung widerspricht aber deutlich der Absicht der Lehrerin und sollte meiner Meinung nach vermieden werden.
Die Lösung ist nicht im Verzicht der Lehrerin zum Mitspielen zu finden. Sie sollte viel eher ihre Aufgabenstellung noch präziser formulieren und vor allem auf spontane Änderungen (e) aus nebensächlichen Gründen verzichten. Mit einer klaren Zielbestimmung (die nicht geändert wird) kann verhindert werden, dass die Schülerinnen mit einem Methodenwechsel auch die Zielsetzung wechseln.