Fall Nr. 34

 

Spielverweigerung

Schlüsselsatz: "Ich entscheide was ich mache, und diesen Scheiß mache ich nicht."
Stufe: Sekundarstufe II
Bewegungsfeld: Kämpfen, Ringen, Raufen
Disziplin/Sportart: Rugby
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

Mittwochnachmittag, 1620 – 1705: Halle 6; Bildungszentrum

Sportstunde mit 20 Maurerlehrlingen im 2. Lehrjahr .
Wir kennen uns gegenseitig noch nicht gut, weil wir erst während 3 Lektionen miteinander gearbeitet haben.
Für mich ist es die 2. Sportstunde und Unterrichtsstunde an diesem Tag.
Für die Schüler die 8. und letzte Lektion.
Die Lehrlinge erscheinen mir aufgestellt, und voller Tatendrang.

Wir starten die Lektion mit einer Fangisform ( Mattenfangis), das Spiel läuft sofort sehr lebhaft. In der Mitte der Halle steht Remo und tut nichts. Plötzlich stoppt das Spiel. Alle Fängermarkierungsbändel trägt Remo oder liegen bei ihm auf dem Boden. Ich fordere ihn auf mitzumachen, damit unser Laufspiel weiter geht. Er antwortet mir, so einen Mist mache ich nicht mit, ich will nur spielen. Damit unser Einlaufen weitergeht, verteile ich die Bändel neu und wir fahren mit dem Unterricht fort.
Schnell wird Remo wieder gefangen und bekommt einen Spielbändel. Damit marschiert er zur Fensterseite und bleibt dort während der ganzen Sequenz stehen. Ich koche innerlich ob dieser Provokation. Ich fordere ihn nochmals auf, mitzumachen. Er antwortet mir: "Ich entscheide was ich mache, und diesen Scheiß mache ich nicht."
In der nächsten Lektions- Sequenz machen wir kräftigende Formen und Raufformen zu zweit. Die Partnersuche ging schnell, nur Remo steht immer noch teilnahmslos an der Fensterwand . Ich habe ihm einen Partner zugeteilt.
Bereits die 1. Aufgabe verweigert Remo wieder und legte sich auf eine Matte. In mir brodelt es, ich versuche mich zu beherrschen und bitte ihn einmal mehr mitzumachen oder konsequenterweise meinen Unterricht zu verlassen und die damit gekoppelte Busse von Fr. 10.- zu bezahlen. Sport ist Scheisse und ich werde nur Spielen, war seine Reaktion darauf.
Um nicht zu explodieren, widme ich mich nur noch der sporttreibenden Klasse. Für die Raufspiele (Rugbyformen), die übrigens die Klasse gewünscht hat, bilden wir 2 Teams. Die Mitschüler haben Remo in ein Team aufgenommen. Auch im Spiel, das fair aber sehr hart verlief, steht Remo nur herum, er verweigert jedes Mitmachen. Plötzlich sagt ein Schüler zu Remo, wenn du jetzt nicht mittust, schlage ich dir deine Fresse zusammen. Darauf bricht Remo sein provozierendes Nichtstun ab. Sein Engagement im Spiel bleibt schwach, aber die Art und Weise empfand ich nicht mehr so aufreizend. Am Ende der Stunde erkläre ich Remo, dass ich so nicht mit ihm weiter arbeiten werde, und seinen Lehrmeister und seinen Klassenlehrer kontaktiere. Auch der Klassenchef, der gegenüber Remo die Drohung ausgesprochen hat, kommt noch zu mir. Er erklärt mir, dass Remo auch in den übrigen Fächern dauernd provoziere und die Klasse dieses Verhalten satt hat. Ich bedanke mich beim Klassenchef für seine Hilfe, fordere ihn jedoch, auf die Nerven nicht zu verlieren und ja nicht tätlich zu werden. Aufgewühlt komme ich ins Lehrerzimmer und treffe einen Kollegen. Ich erzähle ihm, dass mich heute ein Schüler aufs äußerste genervt hat. Da er diese Klasse im letzten Schuljahr unterrichtet hat, meinte er: Hat dich Remo provoziert? Schau, das ist ein Repetent, der auch jetzt nicht viel taugt und uns Lehrer immer wieder provoziert. Bei mir waren die Provokationen oft so stark, dass ich fast einmal die Nerven verloren hätte und ihm links und rechts eine geknallt hätte.
Er beruhigte mich aber, dass es wenig mit meinem Unterricht und meiner Person zu tun hat. Ist das so ?
3. Schlüsselsatz
"Ich entscheide was ich mache, und diesen Scheiss mache ich nicht."
4. Auslegung
Welche Rolle hat Remo innerhalb der Klasse ?
Welche Hintergründe führten zu Remos Karriere ( Repetent)?
Warum kommt es zu diesen widersprüchlichen Aussagen. ("Ich will nur spielen" und spielt trotzdem nicht mit)
War diese Sportstunde von der Anlage und Aufgabenstellung her eine normale oder aussergewöhliche Lektion?
Warum unterstützt der Klassenchef den Lehrer?
Gilt seine Intervention direkt Remo, will er der Klasse oder dem Lehrer helfen?
Ist die Beziehung zwischen Remo und Lehrer vorbelastet?
Welches Spielverständnis hat Remo, welches die Lehrkraft?
Wie löst die Lehrperson in diesem Fall seine Rolle als Lehrer?
5. Lösungsvorschläge
• Remo keine Beachtung schenken und sich somit gar nicht erst provozieren lassen.
• Mit Remo zusammen den Begriff Spiel klären und seine Grundhaltung zum Sport.
• Auf das Verhalten der Mitschüler ( geben ihm alle Bändel ) eingehen und eine Klärung suchen.
• Den Unterricht stoppen, die Klasse zusammennehmen und die Situation bereinigen.
• Mit der ganzen Klasse die zukünftige Reaktion (Konsequenz) des Lehrers bei ähnlichen Fällen abmachen.
• Remo 1x verwarnen und im Wiederholungsfall kommentarlos wegschicken.
• Rollentausch: Wie sollte der Lehrer aus der Sicht von Remo, bzw. der Klasse reagieren?
• Den Fall weiterleiten: Rektor, Lehrmeister, Klassenlehrer Kollegium.
• Ein kollegiales Gespräch bei einem Kaffee mit Remo führen.
6. Folgen
Remo wurde einerseits aus disziplinarischen Gründen und andererseits auf Grund seines ungenügenden Einsatzes in der Lehre und in der Schule (machte keine Aufgaben ) Ende März aus dem Lehrverhältnis und aus der Schule entlassen.