Fall Nr. 73

 

Spielbändeli

Schlüsselsatz: "Mit 5 gegen 5 wären die Mannschaften nicht ausgeglichen gewesen."
Stufe: Sekundarstufe I
Bewegungsfeld: Spielen
Disziplin/Sportart: Basketball
Inhalte präsentieren: Erklären
Bedingungen organisieren: Gruppen bilden – Sozialformen
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

(a) Gymnasium, 9. Schuljahr (16 Schüler). Nach und nach betreten die Schüler die Turnhalle. Der Lehrer gibt jedem, der die Halle betritt ein Bändeli. Einige Schüler spielen bereits mit dem Basketball. Auf die Frage des Lehrers, ob sich noch Schüler in der Garderobe befinden, antwortet der Schüler: "Ja, Pascal und Dominik." Darauf versammelt der Lehrer die Anwesenden in der Mitte der Halle. Er erklärt den Stundenablauf und verteilt für das kommende Spiel je zwei Gruppen auf eine Hallenhälfte: "Gelb und Blau in diesem Feld, Weiss und Rot im anderen. In der Zwischenzeit betreten zwei weitere Schüler die Halle (Josef und Martin), auch sie erhalten ein Bändeli.
(b) Das Aufwärmspiel verläuft unruhig, aber intensiv. Auf der einen Hallenhälfte spielen 3:3, auf der anderen 4:5. Als der Lehrer das Spiel abpfeift, sind die Resultate ungefähr ausgeglichen. Er erklärt, dass Gruppen gelb und rot selbständig Basketball spielen sollen, während die anderen mit ihm am Minitrampolin üben.Es versammeln sich 10 Schüler bei ihm während 6 Schüler mit dem Basketballspiel beginnen.
(c) Nach 12 Minuten lässt der Lehrer die Gruppen wechseln. Die Basketspieler gehen zum Minitrampolin und umgekehrt. Die 10 Schüler, die zum Basketball wechseln, haben Mühe selbständig mit dem Spiel zu beginnen. Nach 3 Minuten interveniert der Lehrer und fragt nach dem Problem. Als eine Antwort ausbleibt, bestimmt er einen verletzten Schüler, der am Hallenrand sitzt zum Spielleiter. Er soll das Spiel organisieren und eventuell als Schiedsrichter pfeifen.
(d) Der Lehrer wendet sich wieder den Trampolinspringern zu. Bei den Basketballspielern (Blau - Weiss) entwickelt sich langsam ein Spiel. Am Ende der Stunde lässt der Lehrer die Geräte wegräumen und bricht das Basketballspiel ab. Auf die Frage nach dem Spielstand kommen ganz unterschiedliche Antworten.
Schüler: "Wir mussten eben anders aufteilen, so haben wir 6 gegen 4 gespielt.
Anderer Schüler: "Nein, es waren 7 gegen 3".
Lehrer: "Warum habt ihr nicht 5 gegen 5 gespielt ?
Schüler: "Mit 5 gegen 5 wären die Mannschaften nicht ausgeglichen gewesen."


Fallinterpretation:
Die beschriebene Sportstunde muss sehr unruhig verlaufen sein, sonst wäre es dem Sportlehrer nicht entgangen, dass die Gruppengrössen sehr unterschiedlich waren. Die Frage des Lehrers, ob noch andere Schüler in der Garderobe sind (a), lässt darauf schliessen, dass die Klassengrösse von Mal zu Mal schwankt und die Schüler des öfteren abwesend sind.
Dieser Unruhe und Unübersichtlichkeit ist sicher zuzuschreiben, warum der Lehrer erst spät bemerkt, dass er die Klasse sehr unzweckmässig aufgeteilt hat. Obwohl es während dem Aufwärmen noch mehr oder weniger klappt, wird es beim anschliessenden Hauptteil sehr unausgeglichen. Unglücklicherweise wechselt der Lehrer nochmals die Gruppen, womit aber ausgerechnet die beiden grössten Gruppen zu einer Gruppe zusammengefasst werden (b). Dies führt zur Situtation, dass in der einen Hallenhälfte sechs Schüler Basketball spielen und zehn Schüler mit dem Lehrer Mintrampolin springen. Das Problem stellt sich aber erst mit dem Wechsel, als die grössere Gruppe Basketball spielen soll. Offensichtlich sind die Gruppen nicht nur zahlenmässig, sondern auch leistungsmässig unausgeglichen, dass kein Spiel zustande kommt.
Wie könnte der Lehrer diese unglückliche Situation vemeiden, abgesehen davon, dass er der Gruppengrösse einfach mehr Beachtung schenken müsste? Der Lehrer zeigt selbst einen möglichen Lösungsweg vor. Er beauftragt einen verletzten Schüler mit der Spielleitung c). Dass dies auch nicht klappt zeigen die Antworten am Schluss der Stunde (d). Zumindest der Spielleiter sollte gemerkt haben, ob 7 gegen 3 oder 6 gegen 4 gepielt haben.
Ich meine, die Schwierigkeiten beginnen bereits zu Beginn der Stunde. Die sehr unübersichtliche Methode, den eintretenden Schülern ein Spielbändeli auszuhändigen, macht nur dann Sinn, wenn der Lehrer genau weiss, wieviele Schüler anwesend sein werden, und er so die Bändeli bereits abzählen kann. Wir können davon ausgehen, dass er dies nicht gemacht hat. Spätestens als die beiden letzten Schüler die Halle betreten (Josef und Martin, a), hat der Lehrer die Übersicht verloren: dass die beiden anderen (Pascal und Dominik) überhaupt nicht in die Stunde kommen, bermerkt er gar nicht. Dabei sprechen wir im Moment nur von der Gruppengrösse. Ideal wären auch leistungsmässig ausgeglichene Teams.
Wenn wir davon ausgehen, dass der Lehrer mit der Aufteilung in leistungsmässig ausgeglichene Teams überfordert ist, muss die Lösung des Problems woanders gesucht werden. Warum die Schüler nicht gleich selbst mit der Gruppenbildung beauftragen? Oder die vier ersten Schüler, die die Halle betreten sollen je eine Mannschaft bilden lassen. Der Lehrer müsste einzig bekanntgeben, was anschliessend gespielt wird, damit die Gruppen für dieses Spiel auch wirklich ausgeglichen sind. Diese Lösungsmöglichkeit würde zu Beginn etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, dafür wäre aber die ganze Lektion organisatorisch geregelt. ImÜbrigen sehe ich es als weniger gravierend, wenn Schüler am Anfang der Stunde bewegungszeit "verlieren", als mitten im Unterricht (c). Sofern sich diese Gruppeneinteilung bewähren würde, könnte sie auch über mehrere Lektionen beibehalten werden.
Voraussetzung für eine solche Strategie ist das Verständnis der Schüler für ausgeglichene Teams. Die Gruppen Blau und Weiss beweisen mit ihrer Lösung (d), dass sie das Problem begriffen haben. Es geht ihnen z. B. im Vergleich zu jüngeren Schülern, nicht mehr nur um den Sieg, sondern auch um das Spiel selbst.