Fall Nr. 40

 

Seminarist als Schüler

Schlüsselsatz: "Ich habe keine gravierenden Fehler gemacht, ich bin zufrieden"
Stufe: Tertiärstufe
Bewegungsfeld: nicht definiert
Inhalte präsentieren: Lehrgespräch und Coaching; Diskussion
Textsorte: Didaktischer Text

Fallbeschreibung:

1. Rahmenbedingungen
1.1. Eine Klasse des 2. Oberseminars, im letzten von 5 Ausbildungsjahren, das zweite Praktikum, das erste Mal allein unterrichtend; es sind 20 SchülerInnen zwischen 18 und 21 Jahren am Seminar in Solothurn.
1.2. Ich bin Turnlehrer der Klasse, habe ein gutes Verhältnis zu ihnen (nach 3 Skilagern und einer Sportstudienwoche) und unterrichte Sport und Fachdidaktik Sport.
1.3. Die SeminaristInnen sollten für das AP 2 mit meiner Hilfe bei der Planung fähig sein, einen Grobplan und die einzelnen Lektionsplanungen sauber zu erstellen und die Planung in die Tat umsetzen können. Der Unterricht in der Praktikumsklasse während der 3 Wochen soll sie weiter in das Berufsfeld des Lehrers einführen.
1.4. Die Ziele meines Unterrichtsbesuches sind: Kontrolle der Fähigkeiten des Unterrichtenden zu überprüfen, mögliche Schwächen aufdecken, beratend die Fehler zu beheben versuchen, Möglichkeiten aufzeigen, wie der Unterricht noch besser gestaltet werden könnte; eine eigentliche Evaluation des AP 2 erfolgt nach der Rück-kehr ins Seminar. Zudem werden auf eine Patentlektion im Bewährungspraktikum hin entsprechende Rückmeldungen gegeben.
2. Mein Vorverständnis
2.1. Ein Seminarist des AP 2 soll einen Grobplan mit je zwei Lektionseinheiten sauber planen, durchführen und auswerten können. Die Seminaristen sind in der Lage, gute Sportlektionen unter dem Aspekt von LLL (Lachen Leisten Lernen) erteilen zu können. Sie können unter Beobachtungsdruck (Simulation Patentlektion) gut unterrichten.
2.2. Ich erwarte von den Seminaristen, dass sie mindestens planerisch richtig liegen und die in der Fachdidaktik erworbenen Fähigkeiten und das Wissen anwenden können. Der persönliche Umgang mit Kindern soll den Wunsch der Berufswahl erkennen lassen.
2.3. Die Ausbildungsinstitution Seminar stellt die ähnlichen Anforderungen und erwartet, dass sich die Seminaristen in diesem Übungsfeld die unterrichtspraktischen Kompetenzen aneignen. Der Praktikumslehrer ist eine gute Betreuung; die Pädagogik- und andere Fachlehrer machen Besuche und geben Rückmeldungen. In einem ausgedehnten Prozess wird das AP 2 evaluiert.
3. Themen erfassen
3.1. Schlüsselsatz: "Ich habe gedacht, dass ich so unterrichten muss, wie ich es in meiner Schulzeit erlebt habe."
3.2. Auffallend: Beni hat offenbar im Fachdidaktikunterricht nichts gelernt, er setzt sein Wissen nicht ein. Weshalb?


Fallinterpretation:
4. Interpretation
Weshalb macht Beni diese Aussage?
Die Lektion ist wirr und chaotisch, die methodisch-didaktische Kompetenz ist nicht vorhanden, er besitzt die Grundfähigkeit der Unterrichtsplanung nicht.
Aber: Könnte es nicht sein, dass Beni hier eine Trotzreaktion an den Tag gelegt hat? Allein
die Tatsache, dass er "keine gravierenden Fehler" in seiner Lektion entdecken kann, ist
auffallend. Eigentlich sollte er die chaotischen Zustände in seiner Lektion bemerkt
haben. Aber vielleicht habe ich rein physiognomisch mein Erstaunen und meine Ent-
täuschung ausgedückt, als ich ihn um eine kurze Reflexion bat. Vielleicht hat mein Ton
ihn gleich zu einer unkonventionellen, unerwarteten Strategie verleitet. Habe ich Beni
wirklich eine faire Chance für eine selbstkritische Reflexion gegeben?
"Dann mache ich meiner Enttäuschung Luft" heisst wohl, dass ich Beni endgültig klar machen will und muss, dass das Dargebotene wirklich schlecht und ungenügend war. Er hat in dieser Stunde versagt. Er fühlt sich in die Ecke gedrängt und weiss sich nur noch mit seinem Schlüsselsatz zu helfen. Er ist sich vielleicht klar, dass er damit meinen Unterricht und indirekt auch mich völlig in Frage stellt. Er kann damit eigentlich nur sein Fehlverhalten überdecken wollen.
5. Textverständnis äussern
5.1. Gibt es Möglichkeiten, die nicht zu einer Trotzreaktion geführt hätten?
• Kurze schriftliche Stellungnahme (mehr Zeit für eine Reflexion)
• Ich brauche mehr Zeit für meine Reflexion (Emotionen zügeln)

5.2. Gibt es mögliche Konsequenzen für meinen FD-Unterricht?
• Im Unterricht das Problem der "alten Lehrer" mit ihrer Vorbildfunktion erörtern; welche Vorteile hat es, welche Nachteile hat es?
• Die Vorbildfunktion meines exemplarischen Unterrichts zum Anlass nehmen
• Unter Druck den Transfer von Wissen garantieren, indem man Probesequenzen durchspielen lässt.